WILDGEHEGE 01.03. – 10.04.2020 | 44th Exhibit
VERNISSAGE Samstag, den 29.02.2020 um 18:00 Uhr
Einführung durch Stadtrat Helmut Nehrbaß
Ein WILDGEHEGE ist ein KÜNSTLICH geschaffener Freiraum, der dazu dient, den ursprünglichen, unangepassten Teil der ART zu schützen. Dort kann sich dieser Teil entwickeln und gedeihen, genährt und getragen vom Gesamtorganismus, um damit die Spezies insgesamt überlebensfähig zu erhalten. Dabei fungiert Kunst als Spiegel, als Ventil und nicht zuletzt als Netz der Gesellschaft. Ein Raum und Labor, in dem einiges gefühlt, gedacht und geäußert werden kann, wo Narrenfreiheit herrscht, um neue Synapsenverbindungen zu schaffen, um Geist und Seele Flügel zu verleihen, um noch nie Gedachtes zu erdenken und noch nie Geschaffenes zu erschaffen.
Das Wilde, das Ungebremste in der Mythologie und im Märchen korrespondiert mit dem Tierischen, dem Wald, der Wildnis.
Bereiche aus Traum, Phantasie und dem kollektiven Unbewussten zeigen Zügelloses, Formloses, Unkultiviertes, das unter Kontrolle zu bringen und zu sublimieren ist. Der Basilisk beispielsweise gilt in der Alchemie als Stein der Weisen – und wer sucht nicht nach ihm?
Der Titel der Ausstellung WILDGEHEGE ist zugleich ein Oxymoron: das Wilde mit Freiraum einhegen. Doch was geschieht, wenn das gehegte Wilde ausgewildert wird? Das wird in der Gesamtinstallation der Konzeptkünstlerinnen Silja Yvette und Christine Straszewski erfahrbar. Erweitert durch Verspiegelung, Bespiegelung und paraboler Spiegelung verschwimmen die Grenzen zwischen Jäger und Gejagtem. Hier gerät jedoch nicht das Kunstsystem ins Visier, sondern sein Pendant: der Eindringling, die Hybridisierung und der Synkretismus. Bezugssysteme unterschiedlicher Ebenen werden miteinander verknüpft. In der Rauminstallation trifft Formendes auf Geformtes, auf Verformtes, ob Naturkreatur oder Kunstagentur. Wesen mit ungleichen Augen beobachten und nehmen Blickkontakt auf. Malerei, Fotografie, Plastik und Konzept bilden einen Spannungsbogen, in dem die Betrachter*innen Zugang zu Mysterium und universellen Erfahrungen haben.
Die Ausstellung WILDGEHEGE ist der Auftakt der Themenreihe "Selbstreferenzialität in der Bildenden Kunst", die in der Galerie RubrechtContemporary in Wiesbaden ab Februar 2020 zu sehen sein wird. Die Konzeptkünstlerinnen Silja Yvette und Christine Straszewski sind eingeladen, das Kunstsystem nicht nur zu hinterfragen, vielmehr werden sie die Kunst als gesellschaftssprengendes Element, als Störfaktor des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems in den Mittelpunkt stellen. Mit scharfem Geschütz gehen sie auf die Jagd und gehen bei dieser Ausstellung nicht zum ersten Mal eine künstlerische Symbiose ein: DRAG ON FLOW (Peking), HIGGSTEDDY (Wiesbaden), KLEIDET MICH IN SEIDE (Bonn) und HAI:P (Wiesbaden) sind vielversprechende Ausstellungstitel, bei denen die beiden ihre Seelenverwandtschaft bereits erprobten.
Text: Leander Rubrecht (mit Text-Sequenzen von Silja Yvette und Christine Straszewski)
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CV Silja Yvette
since 2017 Studio in Berlin
2011 - 2018 Studies in philosophy, University of Hagen
2014 - 2017 Freelancer at Fotografie Forum Frankfurt
2009 - 2010 Studies of architecture, University of Applied Science Frankfurt
2005 - 2011 Master of Fine Arts, Hochschule für Bildende Künste - Städelschule, Frankfurt
since 2008 Studio in Frankfurt
CV Christine Straszewski
since 2010 Studio in Mainz
since 2001 numerous solo and group exhibitions. Represented in public and private art collections.
since 1999 conceptual artist
Design studies with diploma, RheinMain University of Applied Sciences, Wiesbaden
University of applied sciences Polaroid University Award
01. Januar 2020
Themenreihe „Selbstreferenzialität der Bildenden Kunst“
Das Verständnis an der Bildenden Kunst in der Gesellschaft schwindet unaufhaltsam. Museen können meist nur noch über Blockbuster-Ausstellungen und Events ihre notwendigen Besucherzahlen erreichen. Bei Galerien und vor allem auf Kunstmessen interessieren sich die Besucher*innen häufig an einem schönen Bild fürs Wohnzimmer im Stile renommierter Künstler oder gleich am Original als Wertanlage selbst. Kein Wunder, dass ein Nachfragemarkt entsteht, der Bildende Kunst und Design nicht mehr zwingend auseinanderzuhalten vermag. Die Bildende Kunst ist gerne subtil gesellschaftskritisch, relevant und wertvoll, aber niemals design- oder absatzorientiert. Und je mehr in der Gesellschaft der Sinn der Bildenden Kunst – dieses Verständnis verloren geht, je mehr wächst das unverständliche, fremde System heran: welches sich selbst genug ist, und in der Konsequenz sich und ihren Kosmos selbst befeiert – und nur einer intellektuellen Elite vorbehalten ist? Also, wer nicht Teil des Systems ist, ist außerhalb des Systems; Ist das junge Kunstsystem noch anschlussfähig. D.h. mag ein geschlossenes System stabil sein, welches nicht in der breiteren Gesellschaft mit Verständnis rechnen darf?
Mit der Themenreihe „Selbstreferenzialität der Bildenden Kunst“ möchte die Galerie RubrechtContemporary ein Labor schaffen, um mit einem neuen Kunstverständnis in der Gesellschaft zu experimentieren und Teil davon sein, ein neues Kunstverständnis in der Gesellschaft zu schaffen.
Das Projekt "Selbstreferenzialität der Bildenden Kunst" stellt ab 2020 einen wichtigen Langzeitschwerpunkt der Galerie dar.
Text: Leander Rubrecht
AUSSTELLUNGSIMPRESSIONEN