Pforzheimer Zeitung – Kultur
Bunt, fröhlich, feminin:
So ist die art dieses Jahr
Von Uta Volz und Marco Krefting, 06.07.2022
Rheinstetten. Die art Karlsruhe ist wieder da – und sie ist auffallend bunt und fröhlich, nachdem sie 2021 wegen Corona ausfallen musste. Die Freude bei Künstlern, Galeristen und Besuchern ist groß: 215 Galerien aus zwölf Ländern stellen bis Sonntag aus, davon 47 aus dem Ausland und acht aus Karlsruhe, berichtete Geschäftsführerin Britta Wirtz bei der Pressekonferenz vor der Eröffnung.
Und: Es gibt 180 One-Artist-Shows. Galerien aus Fernost fehlen dieses Mal völlig, sie haben Tribut an Corona, vor allem aber an die enorm erhöhten Logistikkosten bezahlt. Themenschwerpunkt ist die Frau in der Kunst. Frauen sind nicht nur unübersehbar als Thema der Werke, sondern auch als Künstlerinnen und Galeristinnen stark vertreten.
Neue Hallenaufteilung
Es gibt einige Neuerungen: So wurden die Öffnungszeiten in den Abend verlängert und die vier Hallen anders aufgeteilt, was vor allem die Halle 3 vorteilhaft aufwertet. Sie ist Zentrum der Kommunikation, hier finden die Preisverleihungen und die Talkformate statt. Die Sammlung Klöckner, die sich ausschließlich Darstellungen von Frauen widmet, hat hier ebenso ihren Platz wie die Sonderschau Druckgrafik und eine Präsentation der hochkarätigen Kunstsammlung der Landesbank Baden-Württemberg.
Große Wertschätzung erhalten auch wieder Plastiken und Skulpturen, wie Kurator Ewald Karl Schrade zufrieden anmerkte. Zu den 24 großzügigen Plätzen kommt ein wunderbarer, üppig bespielter Skulpturengarten unter freiem Himmel im Atrium dazu, den man jetzt im Sommer erst so richtig genießen kann.
Viel zu Entdecken
Und es gibt viele Entdeckungen: Mal ist es eine Collage aus bunten Notizzetteln, die einen gelb-rot-eingefärbten Gullydeckel in blauer Umgebung zeigt. Mal sind es schwungvolle Linien aus Tusche, welche die Wiesbadenerin Nina Stoelting zur Musik von Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold und Ludwig van Beethoven übers Papier gezogen hat. Mal sind es Mosaike aus Schwämmen, mit Acryl gefärbt und mit Harz überzogen. Die Besucher bekommen ein Potpourri aus 120 Jahren der klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst geboten.
Tausende Euro für ein Werk können Interessierte problemlos loswerden. Vom Postkartenformat bis zu großen Hinguckern ist alles dabei. Heiß begehrt etwa die nur als Grafiken erhältlichen Arbeiten von Literatur-Nobelpreisträger Bob Dylan am Stand von Premium Modern Art. Bei Galerist Johann Döbele aus Mannheim etwa hängt eine Art Wimmelbild des gebürtigen Ingolstädters Bodo Rott. In verschiedenen Farben scheinen sich florale Elemente ständig zu überlappen. Wenige Schritte weiter in Halle 4 läuft man bei der Galerie Anna Laudel an Gebilden vorbei, die leicht an das Corona-Virus erinnern: Tatsächlich hat Anke Eilergerhard hier aber überdimensionale Pollen in rot und weiß per Hand aus Silikon gespritzt. Im „Pollen Archive“ hängen sie in Plexiglasboxen und können frei oder in bestimmten Mustern angeordnet werden.
In Halle 1 zeigt die Galerie Friese aus Berlin in einer sogenannten One-Artist-Show eine Auswahl der Zeichnungen von Ambra Durante. Sie hinterlässt ihre Spuren auf Karton, zerbrochenen Glasscheiben oder, extra für die Messe, auf den Rückseiten von Tickets der Berliner Verkehrsbetriebe. Ob kleine Männchen, animalische Wesen oder weniger klar zu definierende Figuren: Jede einzelne Fahrkarte wird so zu einem Mini-Kunstwerk. Gleich daneben hängt eine Hommage an die Sängerin Billie Eilish, gespickt mit feinen Details.
In Halle 2 haben sich die Galeristen Leander Rubrecht aus Wiesbaden und Marieke Severens aus Maastricht (Niederlande) zusammengetan. Mit Hilfe der beiden Standorte und einem regelmäßigen Austausch wollen sie den durch ihre Galerien vertretenen Künstlerinnen und Künstlern zu mehr Sichtbarkeit und Renommee verhelfen, wie Rubrecht erklärt. Gerade bei noch lebenden Künstlern habe manch potenzieller Sammler Zweifel, wie sich die Preise entwickeln. „Wenn zwei Galerien in einen Künstler investieren, kann man davon ausgehen: Das lohnt sich.“ Außer Arbeiten des Bildhauers Stefan Faas aus Keltern zeigen sie Werke der Belarussin Lena Krashevka. Erst als sie von Minsk nach Köln kam, sei sie „total explodiert“. In mehreren Bildern widmet sich Krashevka der Oberflächlichkeit von Schönheit.
Edelstahl-Köpfe von Werkzeugen inspiriert
Der Pforzheimer Bildhauer René Dantes hat die Zeit der Pandemie genutzt, um einmal ganz entspannt und spielerisch vorzugehen. Herausgekommen ist eine Reihe neuer Arbeiten, die er bei den Galerien Rother und Ulf Larsson präsentiert. Thematisch hat sich der Künstler vor allem mit Köpfen auseinandergesetzt.
Seine „Tool-Heads“ sind von Werkzeugen inspiriert, die auf ihn eine große Faszination ausüben. Entgegen der Strenge früherer Arbeiten sind sie geschwungen und gebogen, erinnern fast ein wenig an antike Helme. Dazu trägt auch die Patina bei: ein wunderbares, von Dantes eher selten eingesetztes Graugrün oder ein dunkles schwarzbraun. Es gibt auch Köpfe in edelrostigem Cortenstahl. Schon mehr Werkzeugcharakter besitzen Stücke in geschliffenem Edelstahl. Weitergearbeitet hat René Dantes auch an Serien, denen Naturmotive wie Blätter und Blüten zugrunde liegen, oder in denen er den menschlichen Körper abstrahiert.
Blauer Lackschimmer betont Stahlkonturen
Ob Grossfiguren aus Corten-stahl oder zartgliedrige Körper und blockhafte Köpfe aus Spiegelstahl, die qualitätvolle Verarbeitung ist allen Kunstwerken des Bildhauers Stefan Faas aus Keltern anzusehen. Neben dem künstlerischen Entwurf beherrscht er auch die schwere, handwerkliche Technik des Schmiedens und setzt viel Zeit und Arbeit ein, um seine Spiegelstahlplastiken auf Hochglanz zu polieren.
In seiner Heimat eher weniger bemerkt, bewegt sich Faas mittlerweile erfolgreich auf internationalem Parkett und bereitet gerade Ausstellungen in Maastricht und im Vasarely-Museum in Aix-en-Provence vor. Auf der art Karlsruhe stellt er bei der Doppelgalerie Rubrecht/Severens Fine Arts und bei der Galerie Heitsch aus – und hat neben „Testi“ (Köpfen) und seinen „Anthropomir“-Serien Neues dabei: Die Spiegelstahlplastik „Anthropomir Colorato Odysseus & Penelope I“ ist ein delikates Unikat, bei dem eine Lackierung mit transluzidem Blau die Konturen betont.
Wunsch nach Nähe in Bronzeplastik umgesetzt
Fero Freymark lebt in Weissach, ist im öffentlichen Raum aber mit zahlreichen, zum Teil großformatigen Plastiken vertreten. Der Bildhauer hat während der Pandemie schmerzlich den engen Dialog mit den Betrachtern seiner Arbeiten vermisst. Von diesem lebt seine gesamt künstlerische Tätigkeit.
„In dieser verzweifelten Leere hat sich das Bedürfnis nach Nähe, Verständnis, Hilfsbereitschaft, einer Umarmung stark entwickelt“, sagt Fero Freymark.
Seine Empfindungen hat er in der Bronzeplastik „Anlehnung“ umgesetzt, die bei der Galerie Schrade Schloß Mochental ausgestellt ist. Gerundete, schwingende Elemente scheinen sich förmlich zu umarmen, bilden einen geschützten Innenraum. Für den Künstler, der ab heute auf der art vor Ort sein wird, symbolisiert die Plastik die unmittelbare Übersetzung dieser verlorengegangenen Werte, die „glücklicherweise jetzt langsam wieder erscheinen“, ist er sich sicher.